Sei frech und wild und wunderbar… heißt es so schön plakativ und wenn ich diesen Satz irgendwo lese oder höre, habe ich sofort das Bild von dreckigen, barfuß herumspringenden, glücklichen Kindern auf einer großen grünen Wiese im Kopf. Ein sehr erstrebenswerter Zustand wie ich persönlich finde. Ein Bild, das allerdings auch überhaupt nicht zum Berliner Großstadtleben passt, das wir bis April 2019 geführt haben. Auch wenn die Stadt viele grüne Oasen hat, sind diese bei Sonnenschein doch eher überfüllt als einladend oder die Wege sehr weit. Neben unzähligen schönen Erinnerungen, sind meine Assoziationen zum Leben mit Kindern in Berlin jedoch geprägt von lautem Verkehr, Menschenmassen und vielen Autos auf großen Straßen. Eine eindeutige Diskrepanz, die sich besonders nach dem Zurückkommen aus diversen Urlauben im Grünen zeigte. Neben der Freude auf das Zuhause, legte sich immer auch ein grauer Schleier auf uns.
Und so haben wir uns entschieden mit dem 6-monatigen Bruno und 4-jährigen Leo Berlin den Rücken zu kehren und den Schritt in die Prignitz zu wagen.
Bruno und Leo an der Elbe
Das Glück gefunden
Was soll ich sagen?! Wir sind unbeschreiblich glücklich hier zu sein. Vielleicht ist es nicht immer genau das zuerst genannte Bild, aber wir sind der Sache insgesamt schon sehr nahe. Die Idee Leo und Bruno eine Kindheit zu ermöglichen die geprägt ist von Freiheit, Natur und Weite, hat sich hier verwirklicht. Es sind unzählige Dinge, die das Leben mit Kindern auf dem Land und speziell in der Prignitz so besonders machen.
Neben vielen anderen Aspekten ist die prägendste Veränderung im Alltag unsere Wohnsituation. Angefangen dabei, dass wir nur eine einzige Wohnungsbesichtigung hatten und sofort eine Zusage erhielten, war die Verdopplung der Wohnfläche bei gleicher Miethöhe eine Wohltat für uns Alle (Stichwort Weite). Mittlerweile steigen die Priese auch hier, dennoch ist es nach wie vor möglich schöne und bezahlbare Wohnungen zu finden, die man ohne Anstehen besichtigen kann und am Ende ohne ein umfangreiches Bewerbungsprozedere bekommt. Ganz dicht darauf folgt unser zweites Zuhause- der wunderschöne Schrebergarten. Eine Oase von der wir in Berlin nur träumen konnten. Auch wenn wir oft die Beschwerde der Kinder hören: „Müssen wir schon wieder in den Garten fahren?“, will am Ende niemand nach Hause. Das Herumtoben und Umherziehen mit den Gartenfreunden, Erdbeernaschen, Buddeln im Sandkasten oder Würmer suchen bringen so viel Spaß und Entspannung nach einem anstrengenden Kita-Tag. Dies Option sich draußen völlig frei zu bewegen und vom Beet in den Mund zu essen ist unvergleichlich und ich behaupte auch nur auf dem Land möglich.
Action auf dem Wasser
Wasser, Wald und Action auf dem Land
Die Wochenenden verbringen wir im Sommer auch sehr gern an einem der vielen Gewässer hier in der Gegend. Von Elbe, über Stepenitz bis hin zum Friedensteich, alles ist wunderschön und innerhalb kürzester Zeit erreichbar. Das Beste daran ist, dass die Parkplatzsuche und unendliches Anstehen wegfallen. Man liegt nicht dicht an dicht, sondern hat an diesen wundervollen Orten viel Ruhe und Raum für sich. Mittlerweile sind wir so daran gewöhnt, dass es irritiert, wenn sich doch mal eine kleine Schlange am Eingang des Friedensteiches gebildet hat. Wer es doch mal größer und etwas voller braucht, findet den Arendsee und den Plauer See ganz in der Nähe.
Aber auch an weniger sonnigen Tagen gibt es unzählige Möglichkeiten für Aktivitäten mit Kindern. Von spannenden Exkursionen mit Oma und Opa in den Wald, Fahrradtouren entlang der Elbe oder Camping bis hin zu Angeboten wie der Tierpark Perleberg, die Burg Lenzen oder das Storchendorf Rühstädt. Alles direkt vor der Haustür.
Tierpark Perleberg
Wer zwischendurch mal ganz viel Action braucht, findet in Wittenberge sogar einen Tauch- und Kletterturm, ein Bowlingcenter, eine Schwimmhalle und neuerdings sogar die Freizeitarena „Funtasy World“ mit verschiedensten Attraktionen auf 4300qm.
Unser Fokus liegt eindeutig auf den ruhigen Unternehmungen an der frischen Luft, dennoch tut es gut zu wissen, dass es mittlerweile auch hier eine Vielzahl an Möglichkeiten gibt, die man sonst nur aus Großstädten kennt.
Eine Idee, die noch auf Umsetzung wartet, ist die Implementation eines regelmäßigen Kindercafes im Stadtsalon Safari. Das gibt die Möglichkeit andere Eltern kennenzulernen und sich auszutauschen während die Kinder dann hoffentlich ganz entspannt miteinander spielen.
Enkel-Taxi in greifbarer Nähe
Wir haben dazu das große Glück meine Eltern, also Oma und Opa „um die Ecke“ zu haben. Könnt ihr die Kinder morgen spontan von der Kita abholen? Wir würden am Wochenende gern zu diesem kleinen Konzert gehen, können die Kinder bei euch übernachten? Das ist eine unheimliche Erleichterung im Alltag und schafft uns Eltern weitaus mehr Freiräume, als wenn aufgrund der Entfernung alles im Voraus geplant werden muss. Ein kurzfristiges Einspringen war in Berlin nicht möglich.
Ein neues Lebensgefühl
Neben all diesen konkret nennbaren Faktoren haben wir hier insgesamt ein anderes Lebensgefühl. Es ist gemütlicher, langsamer, freier und vieles einfacher. In Berlin hatten wir oft den Drang rauszufahren Wir haben uns sogar irgendwann ein Auto gekauft, um schneller in der Natur zu sein. Jetzt sind wir die ganze Zeit „draußen“, wo wir uns immer hin gesehnt haben. Und mittlerweile fahren wir auch viel lieber wieder „rein“ (was mit dem Zug von Wittenberge übrigens sehr unkompliziert und schnell geht).
„Lass mir Zeit“ (Maria Montessori)
Das i-Tüpfelchen ist die baldige Einschulung Leos in die Montessori Schule in Wittenberge (Bruno ist im Montessori Kinderhaus). Wir sind überglücklich, dass wir den Kindern eine Betreuung und Bildung in dieser Form ermöglichen können. Das pädagogische Konzept, das die Individualität des Kindes in den Mittelpunkt stellt, den natürlichen Wissensdurst der Kinder fördert und ihnen Zeit lässt, hat uns sofort überzeugt.
„Nicht das Kind sollte sich der Umgebung anpassen, sondern wir sollten die Umgebung dem Kind anpassen.“ (Maria Montessori)
In den Klassenräumen wird auf Bankreihen verzichtet, stattdessen finden sich unzählige Materialien und Sitzgruppen. Dazu gibt es eine Schulfarm mitten im Wald mit einem Gemüsegarten, Honigbienen, einer Feuerstelle und vielem mehr. Unser Wunsch für die Kinder von Freiheit (die bei Maria Montessori in Grenzen stattfindet) und Naturverbundenheit erfüllt sich auch hier.
Montessori-Schulfarm in Klein Lüben
Probiert es aus!
Ich kann jedem, der mit dem Gedanken spielt aufs Land zu ziehen wärmstens empfehlen es auszuprobieren. Ich selbst bin in der Prignitz großgeworden und wurde dadurch stark geprägt. Als Teenager gibt es Zeiten, in denen es durchaus mal langweilig wird aber genau das zwingt einen früh dazu die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und kreativ zu werden.