Von der Großstadtpflanze zur Heimatliebe – Rückkehrerin aus Leidenschaft

08. Juni 2021
Rückkehrerin in die Prignitz
Kategorie: Wandel

Ich bin was man mittlerweile liebevoll als Rückkehrerin bezeichnet. Aufgewachsen in Wusterhausen, das ist eine kleine Stadt in der Nähe von Kyritz im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Übrigens für alle, die es nicht kennen: absolut einen Ausflug wert! Es gibt einen wunderschönen großen See, man kann paddeln, Tretboot fahren und angeln. Mitten im See ist die Insel gelegen, auf der man herrlich entspannen kann und die einen süßen Inselgarten mit toller Gastronomie bietet.

In meiner Kindheit war ich oft in der Prignitz bei meinen Großeltern und meine Ferien waren geprägt von Tieren, Toben in der Natur und Baden im Baggersee. 2004 habe ich mein Abitur gemacht und mich schon einige Zeit vorab immer wieder intensiv damit beschäftigt, was ich machen möchte bzw. was ich mir weniger vorstellen kann. Es hat sich aber nie die Frage gestellt, ob ich hier in der Region bleibe. Ich habe mich nicht über heimische Unternehmen und Möglichkeiten informiert, denn für mich stand fest: ich gehe studieren und das in einer Großstadt. Die Heimat war für mich zwar gedanklich verbunden mit einer wunderschönen Kindheit, aber auch mit einer gewissen Spießigkeit, Langweiligkeit und die Möglichkeiten fühlten sich enorm eingeschränkt an. Gedanken eines typischen Teenagers eben.

So viele Möglichkeiten in der Großstadt und der weiten Welt

Also studierte ich in Berlin und genoss die große Freiheit und den Trubel in der Stadt. Neue Leute, neue Möglichkeiten, das erste Mal auf eigenen Beinen stehen. Es war die perfekte Entfernung, um ab und an mit dem Zug innerhalb einer Stunde zuhause zu sein und das passierte tatsächlich in immer größer werdenden Abständen. Ich empfand es als wahnsinnig bereichernd, ein Angebot an Kino, Restaurants, Bars, Clubs und Konzerten zu haben, aus dem man täglich nur auswählen musste. Und überhaupt die Möglichkeit, auch spät abends oder am Sonntag einkaufen zu gehen oder die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Das gab es damals in der Heimat nicht, da waren die Bordsteine hochgeklappt.

Das erste Mal, dass ich bemerkt habe, dass mich die Großstadt anstrengt, war einige Jahre später. Wenn ich krank war und zum Arzt musste, nervte mich der laute Straßenverkehr. Oftmals bemerkte ich auf dem Heimweg von der Arbeit, dass ich die Augen über all die Touristen und generell die vielen Menschen rollte, die gemütlich vor mir her schlenderten, während ich einfach nur nach Hause wollte. Und wenn ich von einem Wochenende auf dem Land zurückkehrte, hatte ich vermehrt das Gefühl, einfach keine Luft zu bekommen.

Mittlerweile denke ich, das war die erste Sehnsucht nach Ruhe und einem Ort zum Ankommen. Ich stillte sie jedoch erst durch mein parallel wachsendes Reisefieber und nahm mir eine Auszeit. Australien, Neuseeland und Südostasien standen auf dem Plan und es begann eine der schönsten Zeiten meines Lebens. Endlose Weiten im wahrsten Sinne des Wortes, die schönsten Strände, die ich je gesehen habe, offenherzige und gastfreundliche Menschen. Ich absolvierte dort anschließend ein weiterführendes Studium, um all diese Eindrücke möglichst lang genießen zu können. Und irgendwann war der Zeitpunkt gekommen, an dem man wieder die Lust auf zuhause verspürt hat und es Zeit wurde, nach Deutschland zurück zu fliegen. Hier angekommen war ich etwas planlos, was und wo meine nächste Station sein sollte. Ich verspürte immer mehr den Drang nach Ruhe und Natur. Ich lebte und arbeitete ein paar Jahre lang in Rostock an der schönen Ostsee. Nun bin ich der Liebe wegen wieder dort, wo meine Reise begonnen hat: in der schönen Heimat.

Man muss erst gehen, um zurückkehren zu können

Um ein Rückkehrer* zu werden, muss man bekanntlich erst einmal gegangen sein. Ich habe ein Drittel meines bisherigen Lebens in anderen Städten, Gegenden und Ländern verbracht. Und hätte man mich vor einigen Jahren gefragt, ob ich jemals wieder in meine Heimat zurückkehren möchte, hätte ich mit Sicherheit den Kopf geschüttelt. Und jetzt sitze ich hier, schreibe diesen Beitrag und habe schon so oft darüber nachgedacht, wie das alles wäre, würde ich noch einmal an diesem Punkt mit 19 Jahren stehen. Würde ich alles nochmal genauso machen? Ja, würde ich! Haargenau so vielleicht nicht, aber ich würde wieder dem Drang folgen, Neues zu entdecken, die Welt zu erkunden und Menschen verschiedener Kulturen kennen zu lernen. Diese Zeit meines Lebens hat mich am meisten geprägt, in dieser Zeit sind meine wichtigsten Kontakte und meine liebsten Freundschaften entstanden und ich erkenne mich selbst als wesentlich offener und kreativer, als ich es vorher war.

Aber ich würde nicht mehr mit denselben Motiven gehen. Denn jetzt weiß ich, es ist nicht diese wundervolle Region, meine Heimat, die mich getrieben hat, sondern mein eigenes Selbst und meine natürliche Neugier. Es ist nicht spießig hier und schon gar nicht langweilig. Es gibt tolle und so interessante Leute vor Ort, man muss sich nur beispielsweise mal die ganzen inspirierenden Profile unserer elblandwerker* anschauen. Ich kann jeden Jugendlichen verstehen, der, auch heutzutage noch, etwas neues entdecken und seine Möglichkeiten ausloten möchte. Wichtig ist doch nur, dass man seine Wurzeln zu schätzen weiß und dass man auch die Möglichkeiten erkennt, die sich hier vor Ort für jeden bieten. Ich glaube, wir wurden als Jugendliche oftmals nicht richtig über unsere Region und die Chancen und Perspektiven hier vor Ort informiert. Umso schöner ist es zu sehen, dass es mittlerweile viele Projekte und Initiativen gibt, um jungen Menschen die Möglichkeiten in der Region aufzuzeigen. Denn aus Mangel an Alternativen sollte wirklich niemand diese großartige Region verlassen. 

Ich glaube, wir wurden als Jugendliche oftmals nicht richtig über unsere Region und die Chancen und Perspektiven hier vor Ort informiert.

“Von der Großstadtpflanze zur Heimatliebe” – der Titel dieses Berichts ist wahrscheinlich genau der springende Punkt: vielleicht war ich gar keine Großstadtpflanze. Nein, war ich sogar ganz bestimmt nicht! Kennt ihr das? Man kommt als junger Mensch in eine neue Umgebung, fühlt sich schnell wohl und vor allem zugehörig. Man drängt das Vorhergegangene und Altbekannte viel zu schnell in den Hintergrund. Dabei bin ich ein Landmensch durch und durch. Ich liebe das morgendliche Krähen eines Hahnes, die Wälder, Seen und Flüsse, die ich nicht erst mit dem Auto anfahren muss. Ich mag, dass jeder jeden kennt, dass man sich unterstützt. Und ich mag sogar die typische Landluft aus Kuh- und Schweinestall. Das muss wohl Heimatliebe sein und die wird auch immer bleiben.

Amelie lebt seit 2019 in Wittenberge, ist aber nicht ganz neu in der Region. Sie ist in der Prignitz und Ostprignitz aufgewachsen und nach einigen Jahren Großstadt und Ausland wieder zurück in ihrer Heimat. Beruflich ist sie im Projektmanagement zu Hause und freut sich auf alle neuen Ideen und Entwicklungen der elblandwerker*. Über ihre Erfahrungen zum Stadt- und Landleben, Tipps für Ausflüge und Unternehmungen sowie interessante Projekte schreibt sie hier im Blog.

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